Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat den emeritierten Papst Benedikt XVI. nach der Veröffentlichung des Münchener Missbrauchsgutachtens in Schutz genommen. «Sehen Sie, ich habe es nicht gelesen, aber für mich ist klar, dass er als Erzbischof Ratzinger nicht wissentlich etwas falsch gemacht hat», sagte der frühere Bischof von Regensburg der italienischen Zeitung «Corriere della Sera» (Freitag). Nach Ansicht des 74-Jährigen werde mehr über Ratzinger als über den Fall des Priesters H. oder andere Priester gesprochen, die Verbrechen begangen haben.
Überrascht ist Müller nach eigenen Worten davon nicht. «In Deutschland, und nicht nur dort, ist man daran interessiert, Joseph Ratzinger zu schaden», erklärte Müller. Ratzinger vertrete sozusagen eine orthodoxe Position, aber in Deutschland gebe es viele, die auf eine abweichende Position drängten, wie die Abschaffung des Zölibats oder Frauenpriesterschaft. Diese progressive Linie sei störend, sagte Müller.
Angesichts der Vorwürfe im Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising zur Zeit Ratzingers ist es laut Müller offensichtlich, dass, wenn es Fehler gab, Ratzinger davon nichts wusste. Damals habe es nicht das Bewusstsein und die Protokolle von heute gegeben. «Niemand wusste, was zu tun war, wie man angemessen reagieren sollte, in der Kirche wie in der Zivilgesellschaft», erklärte der Gründer des 2008 eingerichteten Instituts Papst Benedikt XVI. weiter.
Am Donnerstag veröffentlichte die Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ein Gutachten in München, dass einigen hohen Kirchenmännern des Erzbistums München und Freising Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch vorwirft. Unter ihnen ist auch Kardinal Joseph Ratzinger, dem vier Fälle von Fehlverhalten in seiner Zeit als Erzbischof dort angelastet werden.