Für den etwa Mitte Februar erwarteten Höhepunkt der Omikron-Welle rechnet der Saarbrücker Experte für Corona-Prognosen, Thorsten Lehr, mit mindestens einer Verdreifachung der aktuellen Inzidenz. Man könne davon ausgehen, dass die Rate der Neuinfektionen pro Woche und 100 000 Einwohner dann zwischen 2000 und 3000 liege, sagte der Pharmazie-Professor der Deutschen Presse-Agentur.
„Wir sehen, wie das in die Höhe schnellt. Wir werden dann im Bereich von bis zu 200 000 bis 300 000 Infizierten am Tag sein.“ Und auch teils darüber. Es könne aber sein, dass dann die Test-Kapazitäten gar nicht alles erfassen könnten, sodass man die erwarteten Zahlen in dieser Höhe möglicherweise gar nicht in der Statistik finde.
Man sehe zurzeit, dass es in Deutschland regional unterschiedliche Verläufe mit „einem relativ starken zeitlichen Versatz“ gibt. „Wir haben so eine gegen den Uhrzeigersinn wandernde Omikron-Welle“, sagte Lehr. Nach dem Höhepunkt im Nordwesten folge der Südwesten, dann der Osten. Noch sei es in den östlichen Bundesländern – außer Berlin – ruhiger. „Aber die Trendwende ist dort eingeläutet und es wird auch da ankommen“, sagte er. „Es wird letztlich alle erwischen.“
Regionen, die später erfasst würden, hätten allerdings den Vorteil, dass die Saisonalität helfe, die Welle abzuflachen. „Je weiter wir in den Frühling reingehen, desto leichter wird es wieder.“ Lehr ging davon aus, dass die Inzidenzen im April wieder deutlich sinken würden. „Ich glaube, dass wir da auf jeden Fall Entspannung sehen.“
Denkbar sei aber auch, „dass dann wieder eine neue Variante um die Ecke kommt“. „Wir dürfen uns nichts vormachen: Bisher kamen sie alle in einem Sechs-Monats-Zyklus.“ Es sei daher nicht vorhersehbar, wie lange die Pandemie noch dauere.
Umso wichtiger ist nach Ansicht des Experten, sich zu wappnen für das, was möglicherweise kommt. „Wir brauchen eine Immunisierung der Bevölkerung. Ob das jetzt durch Impfpflicht oder Durchseuchung kommt, das wird letztlich eine Entscheidung der Politik sein.“ Er befürworte eine Impfpflicht, weil eine „Durchseuchungsstrategie eine Menge nicht vorhersehbare Langzeitfolgen“ bedeute.
„Wir reden im Moment gar nicht über die Long-Covid-Symptomatik“, sagte der Professor von der Universität des Saarlandes. „Dabei sind die Langzeitfolgen des Virus absolut unkalkulierbar.“ Er sei „sehr unglücklich“ über die Lage an den Schulen. „Da herrschen in meinen Augen dramatische Zustände. Wir haben einfach eine Durchseuchung unserer Kinder. Und wir wissen nicht, was wir da für Langzeitfolgen haben.“
Er wolle keine Panik schüren. „Aber wir haben uns in den letzten Jahren viel zu wenig mit Spätfolgen von Viren auseinandergesetzt.“ Er sei der Meinung: „Man sollte in dieser Situation dieses absehbaren Pandemie-Peaks (Höhepunkts) über eine Aussetzung der Präsenzpflicht an Schulen auf freiwilliger Basis diskutieren.“ (dpa)