EU-Gesundheitsbehörde: Ohne höhere Impfzahlen wird es nicht gehen

Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hält eine hohe Impfquote weiter für besonders wichtig vor der Lockerung von Corona-Maßnahmen. „Solange nicht über 80 Prozent der Menschen voll geimpft sind, besteht einfach die Möglichkeit, dass der Rest der Bevölkerung von dem Virus noch befallen wird“, sagte ECDC-Direktorin Andrea Ammon in einem Interview des vom AOK-Bundesverband herausgegebenen Magazins „Gesundheit und Gesellschaft“ (G+G).

Eine Impfpflicht betrachtet die deutsche Medizinerin dennoch mit Skepsis. Viele Länder hätten auch ohne eine solche Pflicht hohe Impfquoten erreicht. „Eine Impfpflicht, etwa für bestimmte Berufe, ist eine Möglichkeit. Aber sie ist kein Zauberstab.“

Die Lockdowns hätten die Fallzahlen stark gesenkt, jedoch auch wirtschaftliche, soziale und psychische Folgen gehabt, sagte Ammon. Auch deshalb seien sie kein Allheilmittel. „Meiner Ansicht nach gibt es für die Zukunft weniger eingreifende Möglichkeiten, Barrieren für das Virus zu schaffen und Distanz aufzubauen, die zuerst in Betracht gezogen werden sollten“, sagte die ECDC-Chefin. „Dazu gehören der Gebrauch von Masken, das Abstandhalten und die Reduzierung der Anzahl der Menschen in Innenräumen.“

Ob Europa aufgrund der Corona-Krise besser gerüstet sei für künftige Pandemien, lasse sich schwer sagen. „Klar ist: Unsere Vorbereitung war nicht optimal. Da muss jetzt genau hingeschaut werden, damit es beim nächsten Mal besser läuft.“

Die Menschheit werde auf Dauer mit dem Coronavirus leben müssen. „Ich glaube schon, dass Corona nicht verschwinden wird. Wir müssen daher einen Weg finden, wie wir dieses Virus in den Ablauf des täglichen Lebens integrieren“, sagte Ammon. Die Zahl der Geimpften müsse dazu europaweit gesteigert werden. „Anders wird es nicht gehen.“

Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hat seinen Sitz in Stockholm. Ammon, die das ECDC seit 2017 leitet, hat zuvor in verschiedenen Positionen am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin gearbeitet. (dpa)