Einkaufstourismus mit Tschechien erholt sich noch vom Corona-Schock

Autos mit deutschen Kennzeichen stehen wieder an tschechischen Tankstellen – und tschechische Autos vor deutschen Einkaufszentren. Doch wie vor Corona läuft es für die Geschäftsleute beiderseits der Grenze noch lange nicht. Manche sind dennoch optimistisch.

Prag/Cheb/Dresden (dpa) – Deutsche kaufen in Tschechien ein, Tschechen fahren zum Shoppen in die Bundesrepublik: Was längst als selbstverständlich galt, kam während der Corona-Pandemie zeitweise ganz zum Erliegen. Inzwischen haben sich Ausnahmeregeln für den gegenseitigen kleinen Grenzverkehr fest etabliert. Doch das Vorkrisenniveau ist nach Einschätzung von Branchenvertretern und Politikern noch lange nicht erreicht.

Viele Geschäfte, Gasthäuser und Tankstellen im Grenzgebiet könnten ohne die deutsche Kundschaft nicht überleben, sagt Tomas Prouza, der Präsident des tschechischen Handels- und Tourismusverbands SOCR. Auch Dienstleistungsbetriebe – vom Pediküresalon bis zum Zahnarzt – profitierten von der zahlungskräftigen Klientel aus dem Nachbarland. Am häufigsten würden die Deutschen Zigaretten und Alkohol kaufen sowie einmal das Auto volltanken – Grund seien die niedrigeren Verbrauchssteuern.

Die Corona-Regeln sind teilweise in Tschechien noch strenger als in Deutschland. In den Geschäften gilt nach wie vor eine FFP2-Maskenpflicht, in der Gastronomie die 3G-Regel (geimpft, genesen oder getestet). Prouza hat dafür Verständnis, denn zum einen sei man heute vorsichtiger als vor einem Jahr, zum anderen liege Tschechien bei der Impfquote im Vergleich zu Deutschland zurück. «Die Regierung schafft es nicht, die Impfkampagne voranzubringen», kritisiert der Wirtschaftsvertreter.

Der Einkaufstourismus erreiche noch nicht das Niveau vor der Corona-Krise, sagt Antonin Jalovec, der Bürgermeister von Cheb (Eger). Dabei seien die deutschen Kunden für Einzelhandel, Friseure und Gastronomie der Stadt mit mehr als 30 000 Einwohnern von entscheidender Bedeutung. «Einen Teil der Deutschen schreckt es ab, dass sie sich bei den konkreten Corona-Regeln nicht auskennen, die in Tschechien zum jeweiligen Zeitpunkt gelten», sagt Jalovec. An der Entfernung liegt es nicht: Ins sächsische Bad Brambach oder ins bayerische Marktredwitz sind es von hier aus nur einige Kilometer.

Doch auch umgekehrt sind Kunden aus Tschechien für den Einzelhandel in den deutschen Nachbar-Bundesländern durchaus von großer Relevanz, wie René Glaser vom Handelsverband Sachsen bestätigt. «Das verhältnismäßig junge Publikum aus Tschechien ist grundsätzlich markenbewusst und modeaffin und verbindet den Einkauf in Sachsen häufig mit Kultur, Sightseeing oder einem Besuch der Gastronomie.» Auch hier gelte, dass die Anzahl der Besucher noch nicht wieder das Niveau vor der Corona-Pandemie erreicht habe.

Als eine Art Mekka für mode- und preisbewusste Tschechen galt lange Zeit die Filiale des Textil-Discounters Primark an der Prager Straße in Dresden. Ein findiger Jungunternehmer bot sogar eine eigene Busverbindung nur für den Einkauf in dem Geschäft an – eine Art moderne Variante der Butterfahrt. In Vor-Corona-Zeiten habe er so rund 2000 Kundinnen und Kunden im Jahr von Prag nach Dresden gebracht, berichtet Ondrej Tylecek.

Nun hat er sein Angebot einem Rebranding unterziehen müssen. Statt «Primarklovers» heißt es «Shoppinktrips.cz». Der Grund ist einfach: Die irische Modekette hat in Prag ihre erste Filiale in Tschechien eröffnet – Dresden damit ein Alleinstellungsmerkmal verloren. Doch Tylecek ist überzeugt, dass viele Tschechen weiter nach Elbflorenz fahren werden, wenn seine Busverbindung im Herbst nach Corona-bedingter Pause wieder startet: «Sie verbringen einen freien Tag in einer anderen Umgebung – und sie erleben diese schöne Stadt.»

Nicht nur in Dresden, auch in den bayerischen Grenzregionen hat man sich seit Jahrzehnten auf die Kunden aus Tschechien eingestellt. Mitarbeiter im Einzelhandel hätten schon kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs angefangen, die tschechische Sprache zu erlernen, sagt Sabine Köppel, Bezirksgeschäftsführerin des Handelsverbands Bayern in Oberfranken. Zudem würden in zahlreichen Geschäften der Region Muttersprachler beschäftigt. Deutsche würden wiederum gern über die Grenze in den Bäderort Karlsbad (Karlovy Vary) fahren, um durch die Boutiquen zu bummeln. «Es herrscht also ein sehr reger und vielfältiger Austausch mit den Nachbarn», sagt Köppel.